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Prause schließt mit dem Kapitel Katar ab

Okeraner Kältetechnik-Unternehmer kämpft nach Insolvenz 2013 lange vor Gericht und für seinen guten Ruf
von Frank Heine, Goslarsche Zeitung vom 23. Januar 2023

Oker. Die Wüste hat tiefe Wunden geschlagen: Spätestens als die Fußballer dieser Welt im Vorjahr kurz vor Weihnachten in Katar mit Lionel Messis Argentiniern ihre Meister kürten, kamen alte Gefühle wieder hoch. Keine guten Gefühle, wie sich jeder denken kann, der Kältetechniker Reinhard Prause und die Geschichte seiner Firma kennt. Dieses dunkle Kapitel seines Lebens hat er abgeschlossen – hoch erhobenen Hauptes und im Wissen, seinen guten Ruf auch vor Gericht wiederhergestellt zu haben.
Mit dem Emirat auf der arabischen Halbinsel am Persischen Golf verbindet der 77-jährige Okeraner die bittersten Stunden seines langen Unternehmerlebens. Als seine Auftraggeber beim Bau der Kältetechnik-Anlagen für den Hamad International Airport in Doha Mitte 2012 plötzlich alle Zahlungen einstellen und Prause auf seinen Rechnungen für siebenstellige Vorleistungen sitzen bleibt, muss er Anfang 2013 Insolvenz anmelden. Ein Schock nicht nur für seine Mitarbeiter, auch die Goslarer Geschäftswelt hält den Atem an. Galten Prause & Partner nicht lange als ein Vorzeigeunternehmen der Region (siehe Hintergrund)?

Bericht aus der Wüste

Was passiert ist, fasst Ex-Mitarbeiter Oliver Barner am Ende seines Berichts im Branchen-Magazin „Die Kälte + Klimatechnik“ zusammen, das im Stuttgarter Gentner Verlag erscheint und bei dem der aus Harlingerode stammende Barner jetzt seit knapp zwei Jahren als Volontär arbeitet. Er schreibt für die Zeit um Weihnachten 2012: „Einige Wochen später sind wir auf der Zielgeraden. Die Anlagen kühlen ... Es fehlt noch ein wenig kosmetische Arbeit und Dokumentation. Doch dann kippt die Stimmung.

Okeraner Firmenfamilie mit festen Bindungen (oben von links): Geschäftsführer Reinhard Prause kann sich auch in seiner neuen Firma am alten Sitz auf seine bewährten Stammkräfte Duncer Sen und Fahri Ekiz verlassen.
Okeraner Firmenfamilie mit festen Bindungen: Geschäftsführer Reinhard Prause kann sich auch in
seiner neuen Firma am alten Sitz auf seine bewährten Stammkräfte Duncer Sen und Fahri Ekiz verlassen.

Ein Projekt in dieser Größe lässt sich ohne Zwischenrechnungen und -zahlungen nicht finanzieren. Seit einiger Zeit wurden diese immer später vom Auftraggeber beglichen. Nun blieb die letzte Zahlung komplett aus. Für einen relativ kleinen Betrieb kann das schnell das Ende bedeuten. “Und dieses Aus kommt unausweichlich. Barner hält fest: „Die Firma ist insolvent. Trotz gelieferter Arbeit und erfülltem Vertrag.
Der Auftraggeber beschloss, nicht mehr zu zahlen, und hat dafür eine zu 99 Prozent fertiggestellte Anlage bekommen. Uns beschleicht das Gefühl, dass dies Teil eines Plans war oder zumindest billigend in Kauf genommen wurde.“
Was tun? Prause kämpft. Um seine Firma. Und für seine Überzeugung, als Mensch und Unternehmer untadelig gehandelt zu haben. „Hinfallen ist keine Schande, aber man muss auch wieder aufstehen“, sagt er heute. „Eigentlich wollte ich gerade in Rente – vieles ist damals kaputtgegangen“, erinnert er sich. Mit seinem Braunschweiger Insolvenzverwalter kämpft er vor Gerichten. Mit seinen US-amerikanischen Auftraggebern, hinter denen seiner Überzeugung nach aber letztlich der Staat Katar gesteckt habe. Mit anderen Unternehmen, die seine Lage auszunutzen versuchten – die sich etwa aus der Insolvenzmasse bereichern wollten. Der Weg dauert lange. Er endet laut Prause erst Anfang 2022 mit einem Vergleich vor einem internationalen Schiedsgericht. Es ist nach seiner Aussage kein finanzieller Erfolg. Aber er hat die Gewissheit für sich selbst, untadelig gehandelt und alles versucht zu haben. „Ich hätte mir diese Lehrphase gern erspart, aber sie hat mich auch reifer gemacht“, sagt er.

Und er weiß heute: „Es zahlt sich aus, mit seinen Mitarbeitern immer pfleglich umzugehen.“ Als er schon Ende 2013 mit der Nachfolgefirma „P2 Kältesysteme“ einen Neustart hinlegt, stehen viele aus dem alten Team wieder bereit. Alles ist eine Nummer kleiner. Die Firma operiert nicht mehr in Asien, sondern vor allem in Deutschland und noch in Europa. Statt 50 Beschäftigter zählt sie rund 20. Der Jahresumsatz liegt laut Prause bei zwei bis drei Millionen Euro und nicht mehr zwischen 20 und 25 Millionen Euro.

Vor der Ãœbergabe

Als Marie Klotz im Vorjahr ihre Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement als Prüfungsbeste der Handelskammer abschließt, ist Prause stolz auf diesen Erfolg.
Er macht sich allerdings große Sorgen um den Fachkräftemangel im Land, den auch sein Unternehmen wie so viele spürt. Vielleicht ist all dies aber nicht mehr lange sein Hauptaugenmerk. Der Geschäftsführer will die Verantwortung in jüngere Hände abgeben. Tochter Susanne Prause ist schon Mitgesellschafterin und Prokuristin. Sein Ziehsohn Nick Wegwerth steht ebenfalls bereit. Und Prause selbst? Will endlich runterschalten. Aber sich auch nicht ganz von seinem Lebenswerk verabschieden. „Solange man mich noch braucht und die Gesundheit mitspielt“, sagt er und klingt dabei bestimmt nicht altersmüde.

HINTERGRUND: KÄLTETECHNIK UND FEINE KÜCHE

Reinhard Prause startet sein Kältetechnik-Unternehmen im Jahr 1983 auf 35 Quadratmetern im Keller seines Einfamilienhauses an der Harzburger Straße und erwirbt sich schnell die Achtung der Branche. Die Fachwelt sieht ihn in den Neunzigern bei Catering-Anlagen für Airlines auf dem Weg zum Marktführer. So bestückt er 1998 mitten in die Rückgabe der britischen Kronkolonie Hongkong an China hinein den Flughafen mit sechs Millionen DM schwerer Kältetechnik für die Bereitung von Bordspeisen. Später folgen Bangkok und Schanghai. 2004 spült ein Großauftrag aus dem Emirat Dubai 8,7 Millionen Euro in die Firmenkasse. Dort macht er gute Erfahrungen. 
Zweites Standbein des in Meißen geborenen Prause ist das 1572 als Junckerhof entstandene Landhaus „Zu den Rothen Forellen“ in Ilsenburg, das er 1993 als gastronomischer Seiteneinsteiger („Der Mann, der aus der Kälte kam“) erwirbt und mit einer Investition von 20 Millionen DM vom verkommenen DDR-Ferienheim zum Fünf-Sterne-Hotel mit Aufnahme in den Gault Millau durch den Sterne-Koch René Bobzin führt. 2010 verkauft Prause das Objekt mit 52 Zimmern an die Privathotels Dr. Lohbeck GmbH & Co. KG in Schwelm.